Windach „Alter Pfarrhof“

Hausgemeinschaft gibt Familie aus Ukraine vorübergehend Unterkunft

von Tina Jehle

Wohlbehalten angekommen: Die Windacher Hausgemeinschaft heißt die vierköpfige Familie aus dem umkämpften Charkiw willkommen. | Fotografie: Gudrun Schmuck

Und auf einmal sind wir alle mittendrin. Mittendrin im Kriegsgeschehen der Ukraine. Fassungslos sehen wir Bilder von Zerstörung, Leid, Tod. Nur ansatzweise können wir nachempfinden, wie es den Menschen in den umkämpften Gebieten wohl gehen mag. Geschichten um Flucht und Elend kennen wir noch von unseren Eltern und Großeltern, damals, als ein anderes Unrechtsregime die Welt an den Abgrund brachte. 

Heute sei das alles nicht mehr möglich. Modern, aufgeklärt sind die zivilisierten Gesellschaften – falsch gedacht. Am eigenen Leib spüren es die Flüchtenden der Ukraine.

Nur wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und den ersten Flüchtlingsbewegungen, wurden wir unmittelbar mit den Auswirkungen des Krieges konfrontiert. „Können wir meiner Cousine und ihrer Familie Unterkunft geben?“, so lautete die Frage von Natalja an unsere Hausgemeinschaft, die uns alle auf den Plan zwang, uns schnell zu treffen und eine Entscheidung zu fällen. Die – und das kann man jetzt schon vorausschicken – zu einhundert Prozent bedingungslos und von Herzen getragen wurde.

Selten waren wir uns so einig.

Seit dem 03. März bewohnt nun die vierköpfige Familie, Vater, Mutter, Sohn und Schwiegermutter, unser Gästeappartement. Doch was war geschehen? 

Schon sehr früh, sofort als die ersten Bomben auf Charkiw in der Ostukraine fielen, fiel auch die Entscheidung des Vaters zu fliehen. Als ehemaliger Militärangehöriger und Kriegsveteran (aufgrund seiner alten Verwundungen war er nicht einsatzfähig und durfte ausreisen) wusste das Familienoberhaupt um die Gefahr, die von den russischen Angriffen ausgeht. Dass es nicht bald aufhören wird. Dass Gefahr für Leib und Leben droht. 

Ein paar Habseligkeiten, Pässe, ein vollgetanktes Auto – mehr blieb ihnen nicht vom Leben in Charkiw. Auf nach Westen. „Über den Dnepr, dann sind wir erstmal in Sicherheit“. Ein Fluss ohne Wiederkehr, so die Erkenntnis später, denn die Kriegsschauplätze verlagerten sich, vermeintlich sichere Aufenthalte wurden angegriffen. Weiter auf Schleichwegen, kurzfristig geöffnete Korridore nutzend, fuhren sie tagelang weiter, immer mit der Angst im Nacken, doch noch zu scheitern. 

Lwiw, Krakau in Polen, Dresden, Windach. Stationen einer Flucht, deren Ausgang noch unsicher ist. Das Leben ist gerettet, die Zukunft ist es nicht. „Wir sind euch so dankbar, niemals hätten wir mit dieser Hilfsbereitschaft gerechnet“, mit Tränen in den Augen erzählt uns die Familie beim gemeinsamen Sonntagskaffee von der Heimat, das zurückgelassene Leben beweinend. Eine tiefe Traurigkeit ist spürbar, aber auch der Stolz auf die Ukraine.

Und nun? Seit ein paar Tagen gibt es Grund zur Freude: Die Familie kann bald aus unserem Gästeappartement ausziehen. Durch die große Hilfsbereitschaft, die wie überall auch in Windach zu spüren ist, konnte eine richtige Wohnung für sie gefunden werden. Eine echte Bleibe. 

Wir freuen uns mit! Es ist ein großes Glücksgefühl für uns alle! Und es ist, für uns Windacher, auch ein Beispiel dafür, dass gelebte Gemeinschaft zählt.

 

 

2 Antworten auf „„Selten waren wir uns so einig““

Eine Penzberger Mieterin findet das unbürokratische und mitfühlende Verhalten der Windacher Bewohnerinnen und Bewohner i. S. Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge sehr bewundernswert und freut sich mit Euch.
Leider hat so etwas hier in der Wohnanlage nicht geklappt, einige Gleichgesinnte waren in der Minderheit!! TOLL, wie es in Windach war !

Die gelungene Aufnahme der Geflüchteten hat auch uns berührt!

Natürlich wäre es nur zu schön, wenn sich das vielfach wiederholen ließe. Dabei darf man jedoch nicht aus dem Blick verlieren, dass es in diesem Fall familiäre Bande gab – das ändert viel, die Ausdauer und die Einsatzbereitschaft ist in einer solchen Lage anders.

In den Häusern gab es eine fundierte Auseinandersetzung, wie die Aufnahme von Geflüchteten gelingen kann und man hat sich – sehr realistisch – geeinigt, dass es vier Personen (mit jeweils einem Stellvertreter, insgesamt also acht Beteiligte) benötigt, die sich zuverlässig und kontinuierlich um:
– die Behördengänge
– medizinische „Versorgung“
– das tägliche Brot
– genereller Ansprache, auch für zwischenmenschliche Belange,
kümmern.
Die vielen Aufgaben müssen auf viele Schultern verteilt sein, denn auch wenn die Geflüchteten mündig sind, so sind sie doch in der Fremde, sie mussten fliehen, sind schlimmstenfalls traumatisiert. Man kann nicht auf halber Strecke die Ausdauer, die Geduld verlieren, will man konsequent helfen. Zu wenige Personen werden das nicht adäquat stemmen können.
Das Gute ist: Jene die etwas beitragen wollen, haben etliche Optionen sich zu engagieren! Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Wohlfahrtsverbände u.ä. ehrenamtlich zu unterstützen!
Magdaléna – MARO Marketing & PR

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