Vorsitzende von Neue WeGe e.V. im Interview
„Wir möchten Menschen gewinnen, die sich mit uns für unsere Ziele einsetzen“
von Jutta Baltes, 07.03.2024
Die beiden Vorsitzenden Uli Piesch und Dr. Rainer Beck erläutern im Interview Ziele und Pläne des Vereins Neue WeGe e.V.
Was macht Neue WeGe e.V.?
Rainer Beck: Wir möchten in Oberbayern auf regionaler Ebene dazu beitragen, eine breitere Öffentlichkeit über die Bedürfnisse und Schwierigkeiten von pflegebedürftigen Menschen, insbesondere von Demenzkranken, die sich in häuslicher Pflege befinden, zu informieren. Unser Ziel ist es, aufzuklären, wie Bewohner von der noch immer wenig bekannten Wohn- und Betreuungsform „ambulant betreute Wohngruppe“ profitieren können. Die Wohngruppen müssen aufgebaut und mit Leben gefüllt werden. Dabei ist es wichtig, die Menschen, ihre Angehörigen und betreuenden Dienstleister zu unterstützen.
Uli Piesch: Wir setzen uns für die Belange der ambulant zu Pflegenden sowie ihrer Familien, engen Freunde oder Betreuer ein. Wir wollen als Fürsprecher gegenüber der Öffentlichkeit, Vertretern des Gesundheitswesens und der Politik agieren. Unser Ziel ist es, pflegebedürftigen und demenziell erkrankten Menschen in ambulant betreuten Wohngruppen ein würdevolles und möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wir unterstützen Angehörige bei der Betreuung von Demenzkranken und entlasten sie dabei. Leider ist Demenz noch immer ein Tabuthema. Deshalb empfinden Angehörige oft Berührungsängste und Scham dabei, über die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen zu sprechen. Die ambulante Pflege in der bisherigen Wohnung oder anderen Optionen kann für Familien, Freunde oder Betreuer eine Herausforderung darstellen. Oft scheuen sie sich, notwendige Betreuungs- und Pflegeanpassungen vorzunehmen. Hier wollen wir beratend und unterstützend tätig sein.
Rainer Beck: Auch die demografische Entwicklung zeigt, dass der Umgang mit ambulant betreuten Pflegebedürftigen ohne und mit Demenz-Diagnose eine immer drängendere gesellschaftliche Herausforderung darstellt. In Bayern allein gibt es inzwischen etwa eine Viertelmillion dementiell Erkrankter. Statistisch erkranken europaweit rund acht Prozent der 75- bis 79-Jährigen an Demenz. Zehn Lebensjahre später liegt ihr Anteil bei 23 Prozent. Hier liegt also eine echte Herausforderung. Wir möchten zuhören, verstehen, lernen und Multiplikatoren für diese Personengruppe sein. Oft sind sie Unverständnis und Hilflosigkeit ausgeliefert.
Der Verein ist als gemeinnützig eingetragen. Was sind die Vereinsziele?
Rainer Beck: Ein Schwerpunkt unserer Bemühungen wird die Förderung und Unterstützung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften sein. Diese Wohngemeinschaften haben bis zu 10 bis 12 Bewohner und werden von Angehörigengruppen „selbst organisiert“ und von spezialisierten Dienstleistern in der Alltagsbegleitung und Pflege unterstützt. Wir sind davon überzeugt, dass diese Wohnform insbesondere für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen ein zukunftsfähiges Element in der Sozial- und Pflegelandschaft ist und sein wird. Konkret ergeben sich aus unseren Zielen und Aktivitäten viele ergänzende Projekte.
Uli Piesch: Wir wollen zum einen Interessierte und WG-Gremien ideell und organisatorisch unterstützen. Hierzu bieten wir Wissenstransfer, Vernetzungsangebote und die Organisation von Erfahrungsaustausch an. Darüber hinaus vermitteln wir themenspezifische Veranstaltungen sowie Fort- und Weiterbildungsangebote für Interessierte, pflegende Angehörige und Pflegedienste, die wir auf mittlere Sicht auch selbst entwickeln und anbieten werden. Auf diese Weise möchten wir das Konzept der ambulanten Pflege- und Demenz-Wohngemeinschaften weiterentwickeln.
Im Zuge der geplanten öffentlichen Verbreitung und Bewerbung von ambulant betreuten Wohngruppen engagieren wir uns auch gesundheitspolitisch für die Bewohner und Bewohnerinnen. Wir stehen als Ansprechpartner für Ratsuchende zur Verfügung, die nach geeigneten Betreuungsformen für ihre Lieben suchen.
Rainer Beck: Und schließlich werden Mittel für Anschaffungen in den bestehenden Pflege- und Demenz-Wohngemeinschaften eingeworben, die die Lebensqualität der dort betreuten Menschen verbessern. Mögliche Anschaffungen, von denen die pflegebedürftigen Senioren nachweislich profitieren, sind beispielsweise Luftbefeuchter oder Veeh-Harfen zur musikalischen Betreuung.
Welche konkreten Schritte sind in naher Zukunft geplant?
Rainer Beck: Ich würde sagen: Allem voran streben wir eine Verbreiterung unserer Unterstützer-Basis an, sei es durch neue Mitglieder, Sponsoren, Kooperationspartner oder Experten, die sich unserer Sache anschließen. Wir möchten engagierte Menschen gewinnen, die sich mit uns für unsere gemeinsamen Ziele einsetzen. Mir ist wichtig zu betonen, dass wir kein Unternehmen sind, sondern als junger Verein derzeit ausschließlich ehrenamtlich tätig sind. Die Vorstände allein können die anstehende Arbeit nicht bewältigen, das wäre unrealistisch. Deshalb suchen wir Unterstützung durch engagierte Menschen.
Uli Piesch: Wir möchten schnell mit Fachstellen und Kooperationspartnern sprechen, die sich mit Unterstützung, Pflege, Betreuung und Wohnformen für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen auskennen. Um bekannter und glaubwürdiger zu werden, ist es uns wichtig, sowohl fachliche Expertise als auch öffentlich und gesellschaftlich vernetzte Fürsprecher zu gewinnen.
Der Verein sucht nach Mitstreiter*innen und Menschen, die Lust haben, das Thema „ambulant betreute Wohnformen“ für pflegebedürftige und an Demenz erkrankte Menschen voran zu bringen. Infos gibt es auf der Webseite des Vereins https://www.neue-wege-ev.de. Der Verein bietet verschiedene Mitgliedschaften für aktive Mithilfe und Förderer an – und freut sich über Anfragen.